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Lea, Matti und ich steigen in den Bus. Mir und Lea fällt es dabei etwas schwerer als Matti, das Gleichgewicht zu halten, wir haben schon getrunken und ich bin ziemlich gut drauf. Allein der Gedanke, dass Matti hinter mir in den Bus steigt und unbemerkt einen Blick auf mich wirft, versetzt mich in Hochstimmung.
Lea setzt sich zu zwei Kumpels auf den Vierer, ich und Matti sitzen auf dem Zweier gegenüber. Ich verwickele ihn in ein Gespräch, es geht um Alkohol und Partys und Erfahrungen. Lea lacht mit den beiden anderen so laut, wie es oft nur wir tun, und ich blicke sie an und wahrscheinlich liegt es am Alkohol, aber ein starkes Gefühl der Zuneigung überschwappt mich und ich bin heilfroh, hier mit ihr sitzen zu können.
Wir steigen aus, laufen das kleine Stück und fühlen uns wunderbar. Drei Jungs, zwei Mädels, es fühlt sich goldrichtig an. Matti läuft etwas vor, als wir die Kasse erreichen. "Ich mach das", sagt er zu mir, noch bevor die Kassiererin irgendwas sagt, und drückt ihr zweimal Eintritt in die Hand. Ich schaue ihn verwirrt an. "Warum?" Er zuckt die Schultern. Ich denke nicht mehr nach, sondern sage: "Wenn ich dran kommen würde, würde ich dir jetzt einen Kuss auf die Wange geben." Lachend beugt er sich zu mir herunter und schwupps, landet mein Mund irgendwo an seiner Schläfe. Ich kichere, gebe meine Jacke ab, nehme Lea an die Hand und laufe los, große, selbstsichere Schritte durch die schlecht beleuchteten Räume. Matti läuft hinter uns, aus unempfindlichen Gründen kommt er mit Lea und mir mit und ist nur mit uns da und hat keinen Kumpel dabei und es macht mich so glücklich, ihn den ganzen Abend um mich haben zu können, dass ich die ganze Zeit strahle.

Später jedoch vergeht mir das Strahlen recht schnell. "Willst du nicht tanzen?", frage ich, nachdem Matti zum mindestens dritten Mal den Kopf geschüttelt hat auf meine Frage, ob er mit auf die Tanzfläche kommt. "Nee, keine Lust", lehnt er ab und schaut mich an. "Willst du auch was trinken?", starte ich einen neuen Versuch, aber auch da schüttelt er nur den Kopf. "Ich verstehe dich nicht", sage ich etwas aufgebracht, denn so hatte ich mir den Abend nicht vorgestellt. "Du trinkst nicht, du tanzt nicht - warum bist du hier?" Er überlegt kurz, dann sagt er: "Gute Musik und nette Leute." Ich bin baff. Nette Leute? Heute ist kaum jemand da, den er kennt. Keiner seiner Freunde, außer Lea und mir. Wobei Lea nur halb zählt, versuche ich mir auszurechnen, denn die beiden sehen sich nur, wenn ich wir uns zu dritt treffen, also muss er meinetwegen hier sein. Aber warum ist er dann so distanziert?
"Geh doch mal mit ihm frische Luft schnappen! Vielleicht hat er keine Lut, dich zu küssen, wenn wir hier unter so vielen Leuten sind." Ich schaue sie an und überlege kurz, ob das eine gute Idee ist. Aber sie ist von Lea und warum nicht? Was kann ich verlieren?
Ich lege meine Hand auf seinen Arm: "Kommst du mit raus?" Er nickt und drängelt sich hinter mir durch die Menge, bis wir an der frischen Luft stehen. Wir setzen uns auf eine Bank. "Willst du meine Jacke?", fragt er mich fürsorglich. "Dann frierst du doch", sage ich, denn es ist eine echt kalte Nacht und ich will nicht Schuld an seiner Erkältung sein. "Ob du meine Jacke willst, habe ich dich gefragt", lacht er und ist schon beim Ausziehen. "Danke", sage ich und lächele ihn an. Wir sitzen da, in der stockdunklen Nacht, es gibt hier nur ein paar schwach beleuchtete Geschäfte. Ansonsten ist es still.
Wir unterhalten uns über Belangloses, ich lege den Kopf auf seine Schulter und werde müde. Wäre es nicht so kalt, ich würde für immer hier draußen sitzen wollen. Doch er macht keinen Schritt auf mich zu, macht keine Anspielungen und keine Annäherungsversuche, und irgendwann sage ich etwas enttäuscht: "Wollen wir wieder rein? Mir wird kalt", und wir gehen wieder in den Club und auf Leas fragenden Blick antworte ich nur mit einem Kopfschütteln. 

"Will Matti nicht?", fragt eine Stimme an meinem Ohr und ich erschrecke, als Leon neben mir steht. Ich schüttele den Kopf. "Ich hab schon mit ihm geredet", fährt er fort und sieht mich mitleidig an, "er will nicht jede mitnehmen, hat er gesagt." Leon dreht sich zu Matti, der mich fragend ansieht, aber ich schaue auf die Tanzfläche und tue so, als würde ich Lea suchen. In Wirklichkeit versuche ich, die Ruhe zu bewahren. Er will nicht jede mitnehmen. Aber bin ich denn jede? Bin ich nicht viel mehr eine seiner besten Freundinnen? Jemand, der er den Eintritt bezahlt und mit der er zur Halle fährt, obwohl er erst drei Stunden später dort sein müsste? Jemand, der seine größte Leidenschaft teilt, sich für ihn interessiert und etwas in ihm sieht, das wahrscheinlich sonst noch nicht viele entdeckt haben. Wer bin ich für ihn? Ich schaue wieder zu Matti. Scheinbar haben Leon und er das Thema fallen gelassen, denn sie lachen. 'Pass bitte auf Marie auf, ja?', hat meine Mutter noch gelacht, als wir zu dritt zum Bus gegangen sind. 'Tut er immer', habe ich geantwortet. Er hat gegrinst und bejaht und meine Mutter entzückt, wie er es immer tut, auf seine einfache Art und Weise. Und jetzt? Nun ist er irgendwie der Grund für den Schmerz oder, was es vielmehr ist, die Enttäuschung in meiner Brust.

Gegen halb fünf sitzen wir um Taxi nach Hause, Lea, Matti, die zwei Jungs und ich. Lea, Matti und ich steigen aus, wir wohnen alle sehr nah beieinander. Lea läuft in die eine Richtung, das ist ungefähr noch eine Minute, bis sie zuhause ist, während Matti mit mir in die andere muss. Ich ziehe meine Schuhe aus. "Der Boden ist viel zu kalt!", sagt Matti entsetzt, als er das sieht, aber ich antworte nur: "Ich bin doch gleich zuhause", und fange an zu laufen. Tatsächlich ist der Boden kalt, aber es sind nur wenige Minuten und auf den Schuhen halte ich es nicht mehr aus.
"Sehen wir uns nochmal, bevor ich weggehe?", frage ich Matti, als wir vor meinem Haus stehen. "Wann genau fährst du nochmal?" - "Mittwochmorgen um elf", antworte ich. Bewusst sage ich die genaue Uhrzeit, ich will, dass er eine Chance hat, mir am Mittwoch tschüss zu sagen, denn meine romantische Ader geht mit mir durch und vielleicht taucht er ja auf. "Das musst du mir beantworten", sagt er. "Wieso das denn?", frage ich und verstehe ihn mal wieder nicht richtig. "Du hast so wenig Zeit", sagt er bedauernd und klingt dabei fast schon traurig, aber vielleicht ist das nur der Alkohol, der sein Spiel mit mir spielt. "Na ja, du hast ja jetzt nicht sooo oft gefragt", kontere ich und grinse ihn an. "Komm gut nach Hause", sagt er nur, lacht über seinen eigenen, ziemlich schlechten Witz und schaut mir zu, wie ich durch meinen Vorgarten zur Haustür gehe. "Gute Nacht!", rufe ich noch über die Schulter, aber das hat er wahrscheinlich nicht mehr gehört.

3 Kommentare:

  1. Oh nein, das ist ja alles in die völlig falsche Richtig losgegangen. :( Och Mensch!
    Mittwoch dann sozusagen letzte Chance! Ich drück dir ganz fest die Daumen! ♥♥
    Kannst du denn eigentlich auch von da aus schreiben, wo du dann bist? Was machst du eigentlich nochmal genau? :)

    Alles alles Liebe! :*

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  2. da versteh doch einer mal die Männer...
    typisch:D ♥

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